Generation Maidan - ein must-see

Generation Maidan ist ein eindrucksvoller, bildgewaltiger Film, den die junge Dokumentarfilmergruppe "Babylon 13" gemacht hat und dessen Erlös einer Stiftung zu Gute kommen soll, die sich um die prothetische Versorgung von ukrainischen Soldaten und Zivilisten kümmert, die im Krieg Gliedmaßen verloren haben und der hoffentlich mithilft, die kreml-getriggerten Narrative vom à priori gewalttätigen, rechtsextrem/faschistischen, außengesteuerten Putsch zu dekonstruieren. Auf den Titel klicken und Ihr habt die Möglichkeit, das Video für 4,50 Euro anzuschauen.
Babylon 13 versteht sich als "Kino des zivilen Protests" und Stimme der jungen Generation und ist nur eine der bemerkenswerten Medieninitiativen, die sich in der Ukraine entwickelt haben. Ihr Manifest:

 

"Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß die treibende Kraft hinter dem Bürgerprotest die Generation ist, die innerhalb des Zeitfensters der Unabhängigkeit der Ukraine geformt wurde. Man kann diese Generation die Generation der direkten Aktion nennen, die Generation, die grundlegende europäische Werte für bestimmend erachtet und desegen bereit ist, diese zu verteidigen.

Die neue Zivilgesellschaft bringt bedeutsame Ideen hervor. Doch im Moment gibt es noch zu wenige, die bereit sind, diese Ideen zu erfüllen. Der Kreis muß noch wachsen und dann werden wir die Chance bekommen, die gesamte Ukraine zu überzeugen, daß die Zeit gekommen ist, mit weitreichenden sozialen Reformen zu beginnen. Und offen gesprochen: eine Dokumentation ist ein Mittel, der Menschen Wahrnehmung von Realität zu verändern".

 

 

Das Video zeigt die Chronologie des "Maidan" aus der Sicht der jungen Leute, die sich als die Hauptträger der Weiterführung des damaligen Protests begreifen begreifen. Der Maidan selber, so die Sprecherin, sei die Revolution der gesamten Ukraine gewesen.


Das Video beschreibt zwei Phasen. Phase 1 - der europäische Maidan, Phase 2 - der bis heute andauernde Krieg.

 

 

Phase 1 - es beginnt mit friedlichen Protesten

 

Am 21. November 2014 gibt der damalige Präsident Janukowitsch bekannt, er könne auf dem anstehenden EU-Gipfel in Vilnius nicht, wie erwartet, das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen, er stehe unter russischem Druck. Die Menschen, die sich vom Abkommen eine gerechtere Verteilung des nationalen Reichtums, ein Ende der allgegenwärtigen Korruption, eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und der Zukunft ihrer Kinder erhofft hatten, waren enttäuscht und sahen sich von Janukowitsch betrogen. Spontan demonstrieren 300 Studenten am 30. November.

 

Um 16:00 werden diese 300 von der Sonderpolizei "Berkut" angegriffen, viele von ihnen mit Schlagstöcken traktiert. Die Glocken der St. Michaelskathedrale läuten Alarm. Die Eltern der mißhandelten Studenten kommen als erste zur Hilfe. Am folgenden Tag demonstrieren 800.000 und fordern die Absetzung der Regierung. Provokateure lösen sich aus den Reihen der Demonstranten und greifen Berkut mit Schlagstöcken und Tränengas an. Berkut nimmt nicht einen Einzigen von ihnen fest - es scheint so, als hätten sie mit ihren Aktionen dafür sorgen sollen, daß entsprechende "footage" für die Nachrichten produziert wird, die die Demonstranten schon von Anfang an als gewalttätig darstellen sollen, was in den westlichen Medien ja durchaus Erfolg hatte. Die drei Bilder der ersten Slideshow (alle Bilder sind screenshots aus dem Film) sind aus den ersten Tagen des Maidan, die zweite Slideshow zeigt die Aktivitäten der Provokateure. Später werden sich russische Soldaten in den russischen sozialen Netzwerken damit brüsten, sowohl auf dem Maidan als auch später auf der Krim in den Berkut-Uniformen gesteckt zu haben und die Bildbeweise gleich mitliefern.

 



Ab dem ersten Dezember 2013 organisiert sich die Selbstverteidigung; im Rathaus wird eine Nofallklinik eingerichtet, in der Freiwillige die Verletzten versorgen. Den Sanitätern gibt man Feuerschutz mit Feuerwerkskörpern und nutzt die auch, um sich gegen Berkut zu wehren:

"Wenn man Dir ein Gummigeschoss ins Auge schießt - was würdest Du tun?"



"Wenn man Dir ein Gummigeschoss ins Auge schießt - was würdest Du tun?"- Der Protest radikalisiert sich.



 

Am 17. Januar 2014 unterzeichnet Janukowitsch drakonische Gesetze gegen die Demonstranten, am 18. Januar, als sich ein unbewaffneter Marsch zum Parlament in Bewegung setzt, greift Berkut massiv an, eröffnet das Feuer und wirft Handgranaten auf die Demonstranten.Berkut eröffnet die "Operation

"Alle wussten, daß hinter ihnen ihre Familien, Verwandten und Freunde standen, für die sie auf dem Platz waren."

Am 20. Januar gibt der Innenminister offiziell den Einsatz von scharfer Munition frei. Bis zum 22. Januar werden insgesamt 102 Menschen sterben. Sie werden von da an die "Himmelshundertschaft" genannt werden.


Slideshow: Sonderpolizei "Berkut" auf dem Maidan in Aktion

Am 22. Januar 2014 ergriff Präsident Janukowitsch, mit russischer Hilfe und unter Mitnahme beträchtlicher Vermögenswerte die Flucht, am 23. Januar wurde er durch eine Resolution der Rada seines Amtes enthoben - also nicht "weggeputscht". Der Autokrat war in die Flucht geschlagen.

 

 

Phase 2 - Nationale Befreiung und aufgezwungener Krieg

 

Die Macher*innen des Films sind der Meinung, daß mit der Flucht Janukowitschs dessen eigentliches Ziel, ein Bürgerkrieg, sich endgültig als unerfüllbar herausstellte. Der zweite Teil des Films zeigt chronologisch nochmals die russischen Aktionen zur Destabilisierung der Ukraine: zunächst Bilder von der Krim: Kriegsschiffe, den russischen Jubel und das Segnen der Waffen durch russische Popen, den Überfall auf Slovyansk und den anfänglicchen Jubel, die Hinterlassenschaft der Schreckensherrschaft des Feldherrendarstellers Igor Girkin: Befehle, wie jener vom 22.6.2014 mit dem das 1941, der sich ausdrücklich auf Stalins Kriegsrecht berief, von ihm unterschriebene Todesurteile, Massengräber, verdreckte oder - zwecks Spurenverwischung- abgefackelte Gebäude, in denen nicht nur Dokumente, sondern auch Drogen und Spritzen gefunden wurden. Am 13. April 2014 begann die Anti-Terror-Operation des ukrainischen Militärs, die bis heute andauernd. Ministerpräsident Jazenjuk zieht eine aus meiner Sicht sehr berechtigte Parallele:

 

"Das erste Mal wieder seit 1941 hat ein Feind die Grenze zur Ukraine überschritten."

 

Unmittelbar, nachdem sich die "Männer mit russischem Akzent" in Slowiansk festgesetzt hatten, fanden sie noch Unterstützung bei einem Teil der Einheimischen, was sich jedoch spätestens nach den ersten Todesurteilen und Erschießungen legte. Man nahm auch Geiseln, nicht nur deutsche OSZE-Beobachter, sondern gleichzeitig auch junge Ukrainer, wie den Regisseur Pawlo Jurow aus Kyiv, der in Antrazyt geboren wurde. Jurow berichtet über seine 70 Tage dauernde Gefangenschaft - einschließlich Mißhandlung und Folter. Er berichtet auch, er habe versucht, die Motivation der "Separatisten" zu ergründen. Sie hätten davon gesprochen, alle slawischen Völker in einer einheitlichen slawischen Nation zu vereinen, die dann die Welt retten werde: vor dem Satan USA und der schwulen EU- aus meiner Sicht eine weitere Parallele, nicht nur zu den Nazis sonder auch zu den muslimischen Fundamentalisten, die die USA auch als den "Großen Satan" bezeichnen. Vermutlich deswegen klebten auch Ikonenbildchen auf den Ordnern. Der Film dokumentiert die Arbeit des Straßenkünstlers Banksy, wie das Bild des russischen Oberstleutnants Arseny Popow (aka Motorola) mit seiner Frau, dessen Verhaftung und Folter. Jurow ist übrigens russischstämmig. Der Film dokumentiert auch die ruhmlose Flucht der russischen Helden nach Donezk und die Rückeroberung durch ukrainische Truppen. Die Soldaten sehen es jetzt als ihre wesentliche Aufgabe, das Vertrauen der Bevölkerung wieder aufzubauen. Es kommen auch zwei junge Frauen zu Wort, die sich zunächst den "Separatisten" ansgeschlossen hatten und die Seiten wechselten, als sie erkannten, daß das versprochene "bessere Leben" an deren Seite nicht zu erringen ist. Eine beteiligt sich jetzt konstruktiv am Wiederaufbau, die zweite ist noch vorsichtig. Die Kämpfer sprechen auch über das Massaker von Ilowaisk, bei dem - nach unterschiedlichen Angaben - zwischen 250 bis 1000 ukrainische Soldaten ihr Leben verloren. Sie lasten ein Großteil der Katastrophe der militärischen Führung an.

 


 

Hanna Hopko: das Schlußwort


Hopko ist eine 31-jährige, ehemalige Maidanaktivistin, die während der letzten Parlamentswahl die Liste der Partei "Somopomitsch (Selbsthilfe)" die Wahlliste anführte. Samopomitsch ist besonders beliebt bei den gebildeten Jungen. Hopko sagt über das Establishment:

(Nach dem Maidan)...

"ergriffen sie nicht die Gelegenheit, das alte System zu überwinden und die Korruption zu bekämpfen. "

Der Kampf, so Hopko, werde ausgetragen

"zwischen der alten Generation, die dieses postsowjetische, bürokratische  und korrupte System repräsentiert und einer neuen Generation, die auf dem Maidan war und bereit, ihr Leben für eine andere Ukraine zu geben... Wir sind die Generation, die für eine neue Ukraine kämpft. Doch die "Generation Maidan" hat mächtige Feinde, die sie überwältigen wollen."


Unter anderem mit hochdotierter Propaganda. Deswegen ist dieser Film ja so wichtig und deswegen sollten ihn viele Menschen sehen. Die jungen Leute in der Ukraine haben jegliche Unterstützung verdient und ihre Protagonisten wie Hanna Hopko und Pawlo Jurow stellen auch eine Hoffnung für Europa dar - wie Babylon 13 für die Medien. Das macht den Film so wichtig und wertvoll. Deswegen sollten ihn sich viele Menschen ansehen und darüber diskutieren. Daß der Erlös in die Beschaffung von Prothesen für die Verstümmelten geht ist ein zweiter, wichtiger Effekt. Über den klickbaren Link kann er im Internet abgerufen und eine Woche gestreamt werden - für 4,50 Euro, den Preis nicht mal einer halben Kinokarte.