Der Chef von Putins Nachtwölfen - in Geschichte nicht aufgepasst...

Autor: Robert Colson, rferl.org, 3. Mai 2016

Seit Jahren ist es ein ständiges Mantra der Putin-Unterstützer, daß der Westen die Geschichte des Zweiten Weltkriegs "revidieren" wolle. Viele im Westen würden die enormen Opfer des Sowjetvolkes im Kampf gegen Hitlerdeutschland - das ungefähr 20 Millionen Menschenleben verlor - nicht angemessen würdigen.

Doch am 1. Mai, während eines Zusammentreffens mit Journalisten in der Belorussischen Stadt Brest, war es an Alexander Saldostanow, dem Chef des berüchtigten Pro-Putin-Motoradclubs "Nachtwölfe", beachtlichem Geschichtsrevisionismus zu frönen.

Bild: rferl.org. Ein Klick auf das Bild führt zum Video.

Ein Reporter des unabhängigen TV-Senders Belsat bat Saldostanow um einen Kommentar zu der Tatsache, daß, in der ersten Zeit des zweiten Weltkriegs, Stalins Sowjetunion und Hitlerdeutschland Verbündete waren.

Saldostanow erschien erstaunt.

"Die UdSSR verbündet mit Hitler! Ihr seht, wie durchgeknallt dieser Typ ist. Er ist ein deutliches Beispiel für das Chaos im Kopf einiger Leute. Er erzählt mir, die UdSSR sei mit Hitler verbündet gewesen. Entweder er ist geisteskrank oder ein Troll. Was kann man sonst dazu noch sagen?"

Einige Sekunden später schob er den hertnäckigen Reporter auf die Seite und wandte sich der nächsten Frage zu.

Ironie der Geschichte: das passierte in der Stadt Brest, die 1939 noch polnisch war, und einen Teil der Grenze zwischen der Sowjetunion un Polen bildete, so wie im Geheimen Zusatzprotokoll des berüchtigten Molotow-Ribbentrop-Pakts festgelegt.

Nazi-Deutschland marschierte vom Westen am 1. September 1939 in Polen ein, die Sowjetunion von Osten am 17. Sepember.

 

Nazi-Sowjetische-Siegesparade

Nur wenige Tage später war Polen militärisch besiegt und so hielten die beiden Invasionsarmeen am 22. September 1939 in Brest eine gemeinsame Militärparade ab - eine dunkle Parallele zum berühmteren Zusammentreffen in Torgau an der Elbe am 25. April 1945. Diese gemeinsame Parade war nur der sichtbarste Moment eines langen Zeitraums militärischer und ökonomischer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion, die bis in die Zwanziger Jahre zurückreicht und erst mit dem Nazieinfall in die Sowjetunon am 21. Juni 1941 endete.

 

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Beide Länder waren durch die Friedensverträge, die den ersten Weltkrieg beendeten, gekränkt, und bemühten sich, sie zu untergraben.

Wie der britische Historiker John Erickson in seinem 2001 erschienenen Buch "The Soviet High Command", schreibt, seien sowjetische Diplomaten schon in den Zwanziger Jahren mehrfach an ihre deutschen Gegenüber mit der Idee einer Aufteilung Polens herangetreten.

Obwohl es Deutschland durch den Versailler Vertrag untersagt war, eine Luftwaffe zu unterhalten, baute die Firma Junkers ausserhalb von Moskau eine Fabrik und die Piloten der deutschen Luftwaffe trainierten in der Nähe von Lipezk. Die Deutschen übten den "Blitzkrieg" an der Panzeschule von Kasan und produzierten verbotene Chemiewaffen im Oblast Samara. Deutsche U-Boote verbargen sich vor den Versailles-Inspektoren auf einer Basis in der Nähe von Murmansk.

Doch Stalins verhängisvollste Beteiligung in Deutschland in den Zwanziger Jahren war politisch. Hallsstarrig verbot er der sowjetisch kontrollierten Kommunistischen Partei Deutschlands jedwede Zusammenarbeit mit der linken SPD - eine Politik, die half, Hitler den Weg zu ebnen.

Die Beziehungen wurden jedoch, nach Hitlers Aufstieg zur Macht, vorwiegend durch Hitlers erklärten Antikommunismus und anti-slawischen Rassismus,  erheblich heruntergefahren.

Die Dreißiger Jahre waren für die internationalen Beziehungen in Europa eine schwierige Zeit. Alle Länder versuchten, in einer Atmusphäre gegenseitigen Mißtrauens, ihre Sicherheit zu erhöhen. Zahlreiche Angebote für verschiedene Arrangements kollektiver Sicherheit scheiterten, so zum Beipiel die Appeasement-Politik des Westens gegenüber Hitler.

 

"Ideen in unsere Köpfe einpflanzen"

Im Sommer 1939 begann Stalin Gespräche mit Deutschland. Das Resultat war der Molotow-Ribbentrop-Pakt im August jenen Jahres. Das wurde durch ein gleichzeitig abgeschlossenes Handelsabkommen begleitet, mit dem die Sowjetunion zustimmte, massive Mengen von Rohstoffen an Hitlers Regime zu liefern.

Im Geheimen Zusatzabkommen des Nichtangriffspakts verabredeten die beiden Länder, Ostmitteleuropa unter sich aufzuteilen. Die Sowjetunion wollte sich Polen, die drei baltischen Staaten und die rumänische Region Bessarabien nehmen.

Bis in die Neunziger Jahre leugnete die sowjetische, später die russische Regierung die bloße Existens der geheimen Molotow-Ribbentrop-Zusatzprotokolle. Eine Woche nach der Unterzeichnung fiel Hitler in Polen ein. Zwei Wochen später folgte die Sowjetunion. Ende September bis Anfang Oktober okkupierte die Sowjetunion die baltischen Staaten.

Im Oktober 1940 verhandelten Deutschland und die Sowjetunion kurz den Entwurf eines Vertrages, mit dem die Sowjetunion der Achse zwischen Deutschland, Japan und Italien beitreten wollte.

Doch zu dieser Zeit hatte sich Hitler schon entschlossen, in die Sowjetunion einzufallen, so daß die Gespräche zu nichts führten.

Die Ignoranz des Bikers Saldostanow - geheuchelt oder nicht - über die Zusammenarbeit der Sowjetunion mit Hitlerdeutschland und ihre gemeinsame Besetzung Polens fand ihr beunruhigendes Echo letzte Woche in einem Kommentar des russischen Generals Alexander Kirilin, eines Beraters von Verteidigungsminister Sergej Schoigu, im russischen Radio. Er kritisierte die Politik der polnischen Regierung in Bezug auf sowjetische Kriegsdenkmäler und sagte: "Das gehört sich nicht für einen europäischen Staat, der von Nazi-Deutschland besetzt wurde und die Nazi-Besetzung nur mit der Hilfe der Sowjetunion los wurde."

Und er schloß: "Es werden Versuche unternommen, die Idee in unsere Köpfe einzupflanzen, daß wir die Polen auch besetzt hätten.".

 

 

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