Am 29. August 1940

 

 

Mit einem Bus mit 110 geistig Behinderten und psychisch Kranken kommt der 1877 geborene Arbeiter Otto K. In der Euthanasieanstalt Pirna/Sonnenstein an.

 

Otto K.,seit 1903 verheiratet und Vater von neun Kindern, erlitt 1924 einen Arbeitsunfall. Zeitnah litt er unter depressiven Episoden, die zunehmend häufiger auftraten und schließlich zur Arbeitsunfähigkeit führten. Wie es weiter ging, berichtet der Historiker Julius Scharnetzky, der für die zehnte Sonnenstein-Broschüre das Schicksal von K erforscht hat:

 

„Otto K. war längst arbeitsunfähig. 'Er litt darunter', berichtet Scharnetzky, der bis letztes Jahr freier Mitarbeiter an der Gedenkstätte Sonnenstein war. 'Seine Familie verfügte ohne ihn über kein festes Einkommen.'Die depressiven Phasen von Otto K. nahmen zu, er lag tagelang im Bett. Ärzte diagnostizierten ein 'manisch-depressives Irresein'.


Dies galt im NS-Regime ab 1933 als Erbkrankheit. Otto K. sollte sterilisiert werden. 'Kranke, die an zirkulärem Irresein leiden, neigen in manischen Erregungszuständen ohne Rücksicht auf ihr Alter zu sexuellen Exzessen`, heißt es im Erbgesundheitsbericht von 1937. Doch aus Kostengründen wurde die Sterilisation abgelehnt.Zu seinen Stimmungsschwankungen kam aggressives Verhalten hinzu, Medikamente stellten ihn ruhig. Als am 29.August1940 ein Bus mit 110 psychisch kranken und geistig behinderten Menschen in der Tötungsanstalt Sonnenstein ankam, war das Schicksal von Otto K. besiegelt. Sein Leben verlor er in der Gaskammer im Gebäudekeller.

 

Ein Mann, der in den Augen der NS-Herrscher als arbeitsunfähig galt, wurde seiner Familie entrissen und ermordet. Nur ein Foto und ein paar Krankenakten blieben zurück.“ Sein Schicksal wurde ebenfalls im 10 Heft der Sonnensteiner „Beiträge zur Geschichte des Sonnensteins und der Sächsischen Schweiz“ des Kuratoriums Gedenkstätte Sonnenstein dokumentiert.