Babyn Jar

Heute war ich in Babyn Jar, der Frauenschlucht, Schauplatz einer der größten einzelnen Mordaktionen an jüdischen Menschen während der Nazizeit. 

Am 29. und 30. September 1941 wurden 33.771 jüdische Einwohner*innen von Kyiv durch die Mordkommandos von SS und Wehrmacht in dieser Schlucht ermordet. Man nimmt an, daß, da die Wehrmacht bei der Eroberung Kyivs reichlich unter Druck geriet - durch Explosionen, Minen, Sprengfallen und Scharfschützen war es zu vielen Opfern unter Soldaten und Zivilbevölkerung gekommen - man mit dieser, spontan, ohne Absprache mit Berlin durchgeführten Mordaktion Kampfeskraft und Durchsetzungswillen demonstrieren wollte.


Der Wehrmachtstruppenteil, der hier aktiv wurde, war die 6. Armee, mit der Hitler bekanntlich den Himmel stürmen wollte und die dann in Stalingrad so kläglich unterging, zu dieser Zeit noch unter dem Kommando des Kriegsverbrechers Generalfeldmarschall Walter von Reichenau. Auf sein Konto gehen weitere Kriegsverbrechen, der berüchtigte Reichenau-Befehl ist unauflöslich mit seinem Namen verknüpft. Hier ein Auszug, doch die komplette Lektüre empfehle ich mit Nachdruck:

 

"Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völkischen Idee und der Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandtem Volkstum zugefügt wurden. Deshalb muß der Soldat für die Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben. ...

 

Fern von allen politischen Erwägungen der Zukunft hat der Soldat zweierlei zu erfüllen:

 

1) die völlige Vernichtung der bolschewistischen Irrlehre, des Sowjet-Staates und seiner Wehrmacht;

2) die erbarmungslose Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit und damit die Sicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Rußland.

 

Nur so werden wir unserer geschichtlichen Aufgabe gerecht, das deutsche Volk von der asiatisch-jüdischen Gefahr ein für allemal zu befreien."

 

Unstreitig ein Vernichtungsbefehl!


Die Geschichte von Babyn Jar kann in diesem recht guten Wikipedia-Artikel nachgelesen werden.

 

Zunächst besuchten wir das sowjetische Monument, vor dem ein Gedenkstein für "die Erschossenen von Babyn Jar" steht - kein Wort davon, daß das Juden waren...Das hat man auch sehr lange unter der Decke gehalten und es wurde auf den ersten Gedenksteinen nur davon gesprochen, hier seien "sowjetische Bürger" ermordet worden.Mein Fahrer bemerkt das auch. Zu Sowjetzeiten sind große Teile der Schlucht aufgefüllt und zunächst in einen Freizeitpark verwandelt worden.
Formell entschuldigt hat sich die Ukraine - es wirkten viele Ukrainer an der Mordaktion mit - erst 1991.

 

Es gibt mehrere Gedenkstätten (мемориал), doch wir haben uns - wegen der anderen Aufträge meines Fahrers - auf die jüdische beschränkt. Dort liessen sich jüdische Besucher wohl gerade die Geschichte von Babyn Jar berichten. Später berichtete eine Frau, die die Mordaktion offenbar überlebt hat, über den Mord an ihrer Mutter, die eine sehr schöne Frau gewesen sei. Mehr habe ich bei meinen rudimentären Russischkenntnissen nicht verstanden.

 

Wenn man hinter der Menorah in den Wald geht, kann man noch auf Teile der Schlucht hinunterblicken.

 

Da es in letzter Zeit vermehrt zu Vandalisierungen der Menorah gekommen ist, wird die Gedenkstätte von Soldaten bewacht, die erfreulich neue Uniformen tragen.

 

Zurückgefahren sind wir über die Melnikowa-Straße, auf der, so mein Fahrer, die Kyiver Juden unter Mitwirkung ukrainischer Hilfstruppen zur Schlucht getrieben wurden. Muß ich erwähnen, daß ich die ganze Zeit kurz davor war, loszuheulen?