Voices for Refugees - Wir schaffen das auch!

Bildnachweis: www.vienna.at

Die Österreichische Zivilgesellschaft hat - nach einem katastrophalen Wahlergebnis für die FPÖ in Oberösterreich am 3. Oktober ein Zeichen gesetzt: auf einem per Livestream zu verfolgenden Konzert setzten mehr als 150*000 Österreicher*innen ein Zeichen - für die Willkommenskultur in ihrem Land, für die sich die österreichische Zivilgesellschaft - gegen die Politik - in den vergangenen Wochen und Monaten eingesetzt hat und der Politik voranging. Da in Deutschland die Stimmung zu kippen droht, was von Politiker*innen aller Parteien mittlerweile befeuert wird, muß die Zivilgesellschaft antworten- schnellstens!

 

 

Politiker lassen die Stimmung kippen

 

Ich hatte Gelegenheit, mich mit Freund*innen aus Österreich und aus Ungarn zu unterhalten. Während in Ungarn Viktor Orban, gerngesehener Gast bei der CSU, die Situation für die Flüchtlinge gnadenlos verschärft, was hier in den Medien meistens "neutral" berichtet wird, hat die ungarische Zivilgesellschaft wochenlang die Flüchtlinge mit eigenen Kräften - und aus eigener Tasche! - bezahlt. Nur davon hört man nichts, aber davon daß Orban am liebsten nur Christen aufnehmen würde. Übrigens soll mittlerweile auch Frau Orbán ein wenig Charity betreiben  und sich mal in dem einen oder anderen Lager blicken lassen. Eine Rechtsanwaltsinitiative versucht gerade, international Unterstützung für ihre Bemühungen zu finden, Widerstand gegen Orbáns Gesetze zu organisieren.(update: mit Frau Orbán war ich wohl zu boshaft - aus Budapest bekam ich folgende Info: Frau Orban, bzw. Aniko Levai engagiert sich sehr u.a.f. Flüchtlingskinder etc. Sie ist seit 1998 bei d. Hungarian Interchurch Aid Goodwill Ambassador.)

 

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Der offene Brief
Ungarische Anwält*innen wenden sich an die Öffentlichkeit, weil sie die aktuelle Gesetzgebung gegen die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge nicht nur völkerrechtlich für unhaltbar hält.
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Auch aus Österreich hört man meistens hier nur die "kritischen Stimmen" und sieht die - absichtsvoll zugelassenen! - Skandalbilder aus Traiskirchen. Dort wurde ein Flüchtlingslager völlig überbelegt, Ärzte nicht reingelassen, Flüchtlinge gezwungen, auf dem Boden oder bei Sturm und Regen in Bussen zu übernachten, doch die österreichische Zivilgesellschaft wurde aktiv, organisierte Nahrungsmittel, Kleidung und ärztliche Betreuung.


So hat die Zivilgesellschaft es geschafft, einen Deutschkurs auf die Beine zu stellen, der begeistert angenommen wird. Selbst die Unterrichtsmaterialien wurden dort professionell in Eingeninitiative hergestellt. Im Sommer fand der Unterricht im Park statt, zur Zeit bemüht man sich um einen Raum.


Und am Wochenende haben die Wiener*innen diese beeindruckende Veranstaltung auf die Beine gestellt. 150.000 Teilnehmer*innen, so, wie ich das beurteilen konnte, waren viele bekannte Schauspieler*innen, Sänger*innen, Sportler*innen wie Österreichs Fußballhoffnung, Ex-Bayern David Alaba, bekannte Bands. Top Act aus Deutschland waren die Toten Hosen, Top Act aus Italien Zucchero. Und, ja, Österreichs Staatspräsident, Dr. Heinz Fischer war auch da. Die Zivilgesellschaft hatte es der Politik gezeigt, zunächst durch diese Petition, dann durch das massenhafte Engagement und jetzt durch diese Veranstaltung, mit der auch eine Antwort auf das von vielen als katastrophal empfundene FPÖ-Wahlergebnis bei den unlängst abgehaltenen Landtagswahlen gegeben werden sollte.


Die deutsche Zivilgesellschaft kann das auch


Bildnachweis: Screenshot facebook

Die deutschen Leitmedien üben sich zur Zeit in Agenda-Setting. Agenda-Setting nennt man eine Methode der Medien, ein Thema auf die Tagesodnung zu setzen und ein anderes nicht und so Wahrnehmung und Diskurs in der Gesellschaft zu ändern. Steht ein Thema oben auf "auf der Tagesordnung", so steht es auch oben in den Suchmaschinen.

Zur Methode gehört, daß man keine Aussage treffen muß, sondern "Fragen stellen" und im Konjunktiv reden kann, also: anstatt: "Wir können das nicht schaffen!", fragen wir "Können wir das schaffen?", oder vermuten: "Wir könnten das möglicherweise nicht schaffen...". Und so haben wir ja garnichts gesagt, sondern nur Fragen gestellt.

 

Illustriert von einem Bild, das Angela Merkel verschleiert und Minarette auf dem Reichstag zeigt, "fragt" auch die ARD. Jakob Augstein schreibt dazu richtig:

 

"Die ARD hat doch einen Knall.
Das Regierungsviertel im Schatten der Minarette, die Kanzlerin im Tschador.
Dazu rhetorische Fragen: "Was geschieht mit unseren Werten?" "Wie reagieren wir, wenn Flüchtlinge Probleme haben, mit Frauenrechten, mit Presse- und Meinungsfreiheit."
Kennen die Kollegen die islamfeindliche Propaganda der NPD nicht?
Ich mag das Wort nicht: aber das halte ich für einen Skandal."

 

Ich auch. Anton Hofreiter hat das auf den Punkt gebracht: er halte das Gerede vom "wir schaffen das nicht" für kontraproduktiv, wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, daß es klappt.

 

Ein deutliches Zeichen, daß die, die jetzt in den Sozialen Medien das verantwortungslose Geschwätz von bajuwarischen Bazis und pfälzer Weinköniginnen versuchen, viral gehen zu lassen, eben nicht Deutschland sind, wäre zum Beispiel, auch mal wieder ein großes Konzert zu machen - daß mir als gebürtiger Kölnerin zuerst meine Heimatstadt einfällt, liegt daran, daß Köln schon dreimal ein solches Konzert hinbekommen hat: das erste Mal am 9. November 1992, als die Kölner*innen wegen Rostock, Hoyerswerda, Mölln auf die Straße gingen, 2008 gegen die Hasser von Pro Köln. Beim dritten Konzert 2012, wiederum an einem 9. November hatte das Konzert 75.000 Zuschauer vor Ort. Das Video zeigt BAP mit ihrem Klassiker "Kristallnaach" auf dem Konzert von 1992. Auf der Website von "Arsch huh" können die antirassistischen Aktivitäten, die seit über 20 Jahren in Köln eine solide Massenbasis haben, angesehen werden. Allerdings verbeisse ich mich nicht in Köln, z.B. das "Zentrum für politische Schönheit" hat schon Berlin ins Gespräch gebracht. Egal wo: wichtig ist, daß dem momentanen Dauerfeuer etwas entgegengesetzt wird. Und zwar schnell! Was z.B. die Österreicher*innen und Ungar*innen können, können die Deutschen auch!