7. November 1944: Die jüdische SOE-Agentin Hannah Szénes wird in Budapest erschossen

Hannah (Anikó) Szénes gehört, wie Noor Inayat Khan zu den vielen Frauen und Männern, die sich, unter Einsatz ihres eigenen Lebens, der von Churchill gegründeten Spezialagenten-Truppe SOE angeschlossen hatten. Nicht nur viele Agenten, sondern auch viele Agentinnen verloren ihr Leben, als sie den Nazis in die Hände fielen. Szénes, auf eigenen Wunsch mit dem Fallschirm in Ungarn abgesprungen, um Juden zu retten, fällt den Deutschen in die Hände, wird schwer gefoltert und am 7. November 1944 erschossen. Heute gilt sie als israelische Nationalheldin.

 

Kindheit und Jugend in Budapest

Szénes wird am 17. Juli 1921 in eine nicht religiöse, assimilierte jüdische Familie geboren. Ihr Vater ist der Schriftsteller Béla Szénes, der stirbt, als sie sechs Jahre alt ist. Sie besucht eine protestantische Privatschule, die auch Juden und Katholiken akzeptiert: für doppeltes Schulgeld.

Trotz guter Schulleistungen wird sie nicht zum Studium zugelassen - seit 1920 existiert im Land ein Numerus clausus, der die Zahl der Juden auf den ungarischen Universitäten auf 5% begrenzt. Der täglich erfahrene Antisemitismus bringt sie dazu, sich konsequent mit Judentum und Zionismus zu identifizieren. Mit ihrem Bruder engagiert sie sich in einer zionistischen Jugendorganisation, Maccabea.

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Emigration

Eigentlich möchte auch sie Schriftstellerin werden. Seit sie dreizehn Jahre alt ist, schreibt sie Gedichte und ein Tagebuch, das sie bis zum letzten Tag ihres Lebens weiterführen wird. Letzendlich sieht sie für sich keine Zukunft mehr in Ungarn. Das Land geht einen Weg, der Ungarn an die Seite der Deutschen und die ungarischen Juden in die fast vollständige Vernichtung führen wird.


1939 emigriert sie, zusammen mit ihrem Bruder Györgi/Giora, nach Palästina und besucht in Nahalal die Landwirtschaftsschule für Mädchen. 1941 tritt sie in den Kibbuz Sdot Jam ein und wird Mitglied der Haganah, der Vorläuferin der israelischen Streitkräfte. Sie findet, schon seit ihrer Jugend, Zeit, Gedichte zu schreiben. Dann schließt sie sich der britischen Armee an und wird zunächst, wie Noor auch, Mitglied des Frauenhilfscorps der Luftwaffe. Über das Frauenhilfscorps kommt sie zur Special Operations Executive, SOE.Einen Tag bevor sie nach Ägypten geht, trifft sie sich ein letztes Mal mit ihm. Dabei wird das nebenstehende Bild aufgenommen.


Bildnachweis: hannahsenesh.org.il



Ausbildung, Einsatz und Tod


Sie wird in Ägypten mit 37 Anderen trainiert, um - im Auftrag der Briten - über deutsch besetztem Gebiet Fluchtwege für abgeschossene Allierte Piloten zu etablieren und - im Auftrag der Haganah - Möglichkeiten zur Rettung der mit der Vernichtung bedrohten Juden zu finden. Hannah ist die einzige Frau in dieser Gruppe.

Am 14. März wird sie, mit zwei männlichen Kameraden, Peretz Goldstein und Joel Palgi in Jugoslawien abgesetzt und verbringt drei Monate mit den Tito-Partisanen. Hannah soll mit ihren Kameraden die Grenze nach Ungarn überqueren.

Als sie erfahren, daß Ungarn mittlerweile von den Nazis besetzt wurde, halten die Männer das Unternehmen zunächst für zu gefährlich und wollen abbrechen; Hannah verschwendet jedoch daran keinen Gedanken. Einen Tag nach ihrem Grenzübertritt werden sie von ungarischer Polizei gefangen genommen: Palgi kann entkommen, Goldstein wird nach Oranienburg verschleppt; dort verliert sich seine Spur.

 

Sie führt ein Funkgerät mit sich, das ihr zum Verhängnis wird. Bereits am folgenden Tag wird sie von der ungarischen Polizei verhaftet. Später eröffnete Akten legen nahe, daß sie schwer gefoltert wirde, denn sie soll den Funkcode preisgeben, was sie nicht tut. Sie weigert sich auch dann noch, als man ihre mittlerweile ebenfalls verhaftete Mutter in ihre Zelle bringt und ihr androht die Mutter ebenfalls zu foltern. Sie bittet ihre Mutter um Verzeihung und schweigt weiter.

Am 28. Oktober 1944 wird sie wegen Hochverrat zum Tode verurteilt und am 7. November 1944 erschossen. Sie lehnt eine Augenbinde ab, denn sie will ihren Mördern ins Gesicht sehen. Sie hinterlässt Tagebucheintragungen und Gedichte in Ungarisch und Hebräisch. Ihr berühmtestes Gedicht, Eli, Eli, Mein Gott, mein Gott, wurde von David Zahavi vertont und von Sängern wie Ofra Haza gesungen und gilt einigen als die inoffizielle zweite Nationalhymne:

 

Mein Gott, mein Gott, ich bete, daß diese Dinge nie vergehen, 

der Sand und das Meer,

das Rauschen des Wassers,

der Schein der Himmel,

das Gebet der Menschen.

 

Die Stimme rief und ich kam,

ich kam, weil die Stimme rief.

Im Gefängnis schrieb sie dieses Gedicht, das fast so berühmt ist, wie das vorhergehende:

Eins-Zwei-Drei ...

Acht Fuß lang.
Zwei Schritte von einem Ende zum anderen, der Rest ist dunkel.
Über meinem Leben hängt ein Fragezeichen.


Eins-Zwei-Drei ...
Vielleicht noch eine weitere Woche,

Vielleicht findet man mich in einem Monat noch hier,

Doch ich fühle: der Tod ist sehr nahe.
Ich würde kommenden Juli dreiundzwanzig,
Ich habe um das Wichtigste gespielt.

Die Würfel sind gefallen.

Ich habe verloren.


1950 werden ihre sterblichen Überreste nach Israel überführt und auf dem zentralen Militärfriedhof auf dem Herzl-Berg bestattet. Nach der Wende wurde sie von einem ungarischen Militärgericht rehabilitiert.


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