Autorin: Veronika Melkozerova, Kyivpost 4.April 2016
Daß der Name ihres Präsidenten Petro Poroschenko in den Panama-Papers auftaucht, hat die ukrainische Öffentlichkeit und ihre Medien aufgescheucht. Kyivpost-Autorin Veronika Melkozerowa stellt fest, daß der Umgang damit eine Bewährungsprobe für die einheimischen Medien ist. Schon jetzt zeigt sich allerdings ein deutlicher Unterschied zur Methode des Umgangs zu den russischen Medien, die es schlankweg als putinophobe Verschwörung abtun, daß Namen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten auch in den Papers erscheinen und sich ansonsten in Whataboutismus üben.
Am 3. April veröffentlichte das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP, hat die Recherchen über die Panama-Papers mitfinanziert. DS) eine Investigativstory über eine Briefkastenfirma, die der ukrainische Präsident Petro Poroschenko 2014 registrierte (und das zur Zeit, als die ukrainische Armee gerade die ersten Niederlagen gegen die (pro-)russischen Terroristen erlitt.DS) Der Report warf die Frage auf, ob seine Geschäfte ukrainische Gesetze verletzten und ob diese Firma ein Vehikel sei, Millionen von Steuern, zahlbar in dem und an den ukrainischen Staat, zu vermeiden.
Es war eine von vielen Geschichten, die Journalisten, die Zugang zu den geleakten emails von Mossack Fonseca & Co. bekommen hatten, gleichzeitig überall auf der Welt veröffentlichten. Mossack Fonseca & Co ist eine panamaische Rechtsanwaltsfirma (mit 500 Mitarbeitern. DS), die darauf spezialisiert ist, Briefkastenfirmen in Steueroasen zu registrieren. In der Ukraine war die größte Story die Briefkastenfirma von Poroschenko, die er in seiner Vermögenserklärung (vor der Wahl zum Präsidenten. DS) nicht erwähnt hatte.
Während Poroschenkos Geschichte es auf die Titelseiten so mancher westlicher Publikation schaffte, berichteten unterschiedliche ukrainische Medien uneinheitlich. Viele Medien berichteten schnell und ausführlich. Andere berichteteten nicht. Kanal 5, Poroschenkose eigene Fernsehstation, von der er behauptet, sie sei unabhängig, schwieg bis zum 4. April um 16:00 über den Skandal. Als sie letztendlich ihr Schweigen brach, tat sie das nicht um über die Geschichte zu berichten, sondern um sie zu entkräften.
Kanal 5 veröffentlichte eine News-Story auf seiner Website, in der er das Leck beschrieb und Poroschenkos Berater zitierte, die gesagt hätten, daß keine der ausländischen Firmen, die in der OCCPR-Geschichte erwähnt worden seinen Anteile an der Firma des Präsidenten, Roshen, halte.
Man liest in dieser Story:
"Die Errichtung zweier Vermittler-Firmen war ein Teil der Reorganisation der Firma vor dem zukünftigen Verkauf von Roshen. Doch einige Journalisten interpretierte dies als einen Versuch, Steuern zu vermeiden.
Dann setzte man die Geschichte mit mehreren Facebook-Reaktionen von Experten und Politikern fort, wobei man diejenigen Reaktionen an die Spitze setzte, die Poroschenko verteidigten. Tetyana Danylenko, Moderatorin beim Kanal 5 und eine populäre Bloggerin, schrieb auf facebook, Poroschenko habe nichts Ungesetzliches getan. Sie schrieb:
"Die Briefkastenfirmen, die man gefunden hat, sind kein Verbreichen. Und vom moralischen Standpunkt gibt es nicht viele Gründe für Mißbilligung und Enttäuschung."
Viele der anderen großen ukrainischen Medien haben über die Geschichte innerhalb der ersten Stunden nach ihrer Veröffentlichung am 3. April berichtet, so Novoe Vremya, Korrespondent.net, Kanal 1+1 und seine Website TSN.ua, Ukrainska Prawda und viele andere.
Viele kritisierten die Art und Weise, die der Bericht auf Hromadske.TV, einem Partner von OCCRP in der Ukraine, präsentiert worden war. Die Journalisten des investigativen Formats Slidstvo veröffentlichten eine Vidoeversion der Ergebnisse, in der sie die Zeitachse in der Poroschenko seine Briefkastenfirma errichtete mit jener der Ereignisse des russischen Krieges in der Ostukraine in Beziehung setzte.
Ein Schwerpunkt wurde auf das Massaker/die Schlacht von Ilowajsk im August 2014 gelegt, die mit dem Beginn des Registrierungsprozesses von Poroschenkos neuer Firma. Einige denken, daß dies jetzt zu viel war. (Die Schlacht von Ilowajsk war der Wendepunkt des Krieges in der Ostukraine: 7000 ukrainische Soldaten waren in der Stadt eingekesselt worden. Der russische Präsident Putin gab an, sich persönlich für einen "humanitären Korridor" zum freien Abzug der Ukrainer eingesetzt zu haben. Als die ukrainischen Soldaten den Korridor zum Abzug nutzten, wurden sie, auch mit schweren Waffen, beschossen, was mindestens 100, nach anderen Angaben bis zu 1000 ukrainische Soldaten das Leben gekostet haben soll. Präsident Poroschenko geriet schon damals schwer in die Kritik. DS)
"Der Angriff auf Poroschenko befleckt nicht nur die ukrainische Regierung, sondern auch den ukrainischen unabhängigen Journalismus. Die zu Ilowaisk gezogene Parallele ist absolut manipulativ,"
so Natalya Ligatschewa, Chefredakteurin der Media Watchdog-Website "Detector Media" am 4. April in einem Leitartikel.
Eine andere Medienexpertin, die Vertreterin der Ukraine bei Reporter ohne Grenzen und Leiterin des Instituts für Masseninformation, Oksana Romaniuk, stimmte teilweise zu. Sie sagte, es fehle der Story an Kommentaren von Rechts- und Wirtschaftsexperten und man erkläre nicht, was der Präsident denn falsch gemacht habe. Stattdessen präsentiere man einen Veteranen der Tragödie von Ilowajsk.
Der investigative Journalismus in der Ukraine war immer sehr glaubwürdig. Und ich bin von der hoch emotionalen manipulation unserer Recherchejournalisten sehr enttäuscht,",
so Romaniuk.
Anna Babinets, eine der Autor*innen der Recherche verteidigte die Parallele mit Ilowajsk in ihrem Kommentar gegenüber der Kyivpost.
"Viele der ukrainischen Kämpfer haben in jenen Tagen (im August 2014) Poroschenko zur Hilfe gerufen, sie protestierten in der Nähe der Präsidialadministration, doch der Oberkommandierende der Armee hörte sie nicht."
so Babinets. Als Reaktion auf diese Kritik künidgte Hromadske TV an, es werde die Konformität der Geschichte mit den eigenen journalistischen Standards auf einer Redaktionssitzung am 5. April diskutieren.
Den Kreml hingegen, fechten solche Debatten oder Doppeldeutigkeiten nicht an. AFP zitierte den Pressesprecher des Kreml, Dmitri Peskow, der den investigativen Journalisten, die an den geleakten Panama-Papers arbeiteten, sie seien ehemalige US-Beamte und Geheimagenten.
Peskow sagte in einem Briefing zu Journalisten:
"Wir kennen diese sogenannte Journalisten-Community. Es gibt dort eine Menge Journalisten, deren Hauptberuf nicht der Journalismus ist: eine Menge sind ehemalige Angehörige des US-Aussenministerium, der CIA und anderer Geheimdienste".
Wie Associated Press berichtet, wurde die Recherche in Russland von der unabhängigen Nowaja Gazeta veröffentlicht, ansonsten besteht ein faktisches Veröffentlichungsverbot. Das russische Staatsfernsehen habe ihn am Montag nicht erwähnt.