Aydan Özoğuz und die deutsche Kultur nach Alexander Gauland- Teil 1

Der wahrscheinlich zukünftige Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, Alexander Gauland, hat wieder eine Provokation abgelassen: er forderte das Recht ein, auf die "Leistungen deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen" zu sein, in denen sie unter der Losung "Gott mit uns" in den Krieg zogen.

"Gott mit uns" stand auf den Koppelschlössern, die die Hosen hielten - nicht immer, aber darauf komme ich später zurück.

Man hätte gerne gewusst, welche "Leistungen" Gauland meint. Jedenfalls zieht er damit einen Diskurs bis in die Mitte der Gesellschaft, den man bislang in der rechten Szene verortete: angeblich haben die tapfer und "sauber" kämpfenden deutschen Soldaten sich nichts zu Schulden kommen lassen - entweder waren sie, wie im Ersten Weltkrieg "Im Felde unbesiegt"und wurden von der "Heimat" mittels "Dolchstoß" gemeuchelt. Und im zweiten Weltkrieg war die Wehrmacht "sauber" geblieben - trotz erdrückender Beweise des Gegenteils. ich habe auch die Rede mal komplett seziert - es steckt noch mehr Skandal drin. Im zweiten Teil gehe ich auf den"Stolz" ein.

Ich denke, genau deswegen ist es wichtig, sich die ganze Rede anzuhören und die Ausführungen zu sezieren. Gauland versucht nämlich zunächst erfolgreich, seine Zuhörer via Namedropping und Schlagworten mit Geschichtskenntnissen zu beeindrucken und sich als Autorität aufzubauen, damit die Äusserung vom "Stolz" umso apodiktischer wirken kann.

 

Die Skandalrede

Es ist ja nicht so, daß die Aussprüche über deutsche Soldaten das Einzige sind, was an dieser Rede verstört.  Gauland vergreift sich zunächst an einer Reihe von Persölichkeiten der deutschen Geschichte, sondern zählt offensichtlich auch auf die Dummheit seiner Anhänger. Es wird nämlich ganz entspannt der Stauferkaiser Friedrich II, das "Staunen der Welt" erwähnt, den auch Björn Höcke wieder erwähnt habe (Nachricht an mich: Höcke-Rede anhören). Mit dem Kyffhäuser hat der zweite Friedrich allerdings nichts zu tun, ihm Kyffhäuser soll sein Ahn, Friedrich I, "Barbarossa" liegen. Aber ich will mich ja nicht verplaudern ...

Das "Staunen der Welt" von Friedrichs Zeitgenossen bezog sich nämlich auf Friedrichs ausgesprochen multikulturelle Lebensweise zwischen arabischer, byzantinischer und italienischer Lebensweise an dessen sizilianischem Hof. "Er war hochgebildet, sprach mehrere Sprachen und zeigte ein reges Interesse am Islam". - Und dieses Interesse ermöglichte ihm, in Verhandlungen mit dem Ayyubiden-Sultan al-Kamil 1229 im "Frieden von Jaffa" gewaltfrei den Zugang der Christen zu den Heiligen Stätten in Jerusalem zu erreichen bzw. ihnen diese Stätten zurückzugeben.

Selbst Gauland räumt ein, daß der zweite Friedrich sich eher selten in Deutschland aufhielt.Ich sach mal so: mit seinem multikulturellen Lebensstil passt Friedrich eher nicht in die Ahnenreihe der AfD. Ansatzlos wird dann der Bamberger Dom (1004 Grundsteinlegung durch Ottonenkaiser Heinrich II) und der Naumburger Dom genannt, und das alles - "eine große Epoche deutscher Geschichte" - zu einem unidentifizierbaren Brei verrührt. Deutsche Geschichte ist das keineswegs, denn das "Heilige Römische Reich" war keine Nation im modernen Sinn - es hatte auch einen italienischen und einen burgundischen Reichsteil und das "Deutscher Nation" wurde erst wesentlich später angeflanscht.Zur Zeit der Reichseinigung habe es eine "Dominanz deutscher Kultur und deutscher Sprache" gegeben. Was dummes Zeug ist. Die Lingua franca und Diplomatensprache war damals Französisch.
Nach ein wenig Namedropping - Heine, Goethe, und ausführlicher Bismarck - kommt er dann zu einem Thema, bei dem jedeR AfDler*in mitreden kann - er holt gegen Aydan Özoğuz aus, "die das alles für nichts erachtet". Hat sie so nie gesagt. "Eine spezifisch deutsche Kultur ist jenseits der Sprache schlicht nicht identifizierbar." - Was ist daran falsch?

Bildnachweis: https://www.heiliges-römisches-reich.de/HeiligesRoemischesReich1250.jpg

Und der Plebs grölt "abschieben" und "entsorgen"... Dann kommt die Behauptung, Özoğuz wolle die Geschichte entsorgen, wie Merkel "die Fahne", "unsere Farben", Helmut Schmidt wird als "Deutscher Patriot " gewürdigt, denn die AfD gegen eine "wildgewordene CDU-Verteidigungsministerin" verteidigen müsse. (Es geht um das zeitweise in der Bundeswehr - Helmut-Schmidt-Uni) abgehängte Bild des Namensgebers als Oberleutnant in Wehrmachtsuniform). Es ging um die Uniform, nicht um Schmidt - daß die Universität nach ihm benannt ist, stand nie außer Frage. Von "Helmut Schmidt entsorgen", wie Gauland suggeriert, war nie die Rede.

"Liebe Freunde, zu unserer historischen Erinnerung gehören Stauffenberg und Rommel..." weiter die Schlachten von Mars la Tour  und Sedan(warum denn nur der dritte "Einigungskrieg" und nicht auch Düppel (Norddeutscher Bund gegen Dänemark) und Königgrätz     (Preußen gegen Österreich)? Oder meint er hier gar den höchst erfolgreichen Panzerdurchbruch im Zweiten Weltkrieg, der die Niederlage Frankreichs besiegelte? Und wieso findet er Cambrai (erste große Panzerschlacht der Geschichte) und Verdun so erwähnenswert? Ersteres steht für eine herausragende britische militärische Leistung, zweiteres für eine der Franzosen.

 

Und wieso kommt neben Verdun, dem "Stalingrad des Ersten Weltkriegs" (Sönke Neitzel) das Stalingrad und weitere Schlachten des Zweiten Weltkriegs nicht vor?

 

Man weiß es nicht...

 

Bildnachweis: Helmut Schmidt in der Uniform eines Oberleutnants der Luftwaffe

 

Das alles lasse man nicht "von einer türkischstämmigen Deutschen entsorgen". Wer das mache - wie Aydan Özoğuz, zerstöre die "unsere Identität". Kein Volk in Europa habe so gründlich mit seiner falschen Vergangenheit aufgeräumt wie das deutsche. Man müsse "uns die Verbrechen dieser zwölf Jahre nicht mehr vorhalten, sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr". "Wir" haben das Recht, "uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Geschichte zurückzuholen". Da klingt der alte revisionistische Narrativ von der bösen re-education an, mit der die bösen Siegermächte Deutschland seiner Identität beraubt hätten.

"Wenn die Franzosen zurecht stolz auf ihren Kaiser sind und die Briten auf Nelson und Churchill, haben wir das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Damit ist die Katze aus dem Sack: der "Schuldkult" ist abgeschlossen, was bleibt sind die militärischen Leistungen. So haben die Wehrmachts-Truppenführer schon unmittelbar nach dem Krieg argumentiert.

 

Die Rede schließt mit dem Rütli-Schwur:

Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern,in keiner Not uns trennen und Gefahr.Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

"Und das, Frau Özoguz ist von Schiller, deutsche Kultur, und dazu stehen wir". Nein, Herr Gauland, ist es nicht. Das ist der Gründungsmythos der Schweiz, den Text hat Schiller lediglich in seinen Wilhelm Tell eingebaut.

 

wird fortgesetzt