Danaergeschenk muslimischer Feiertag

"Timeo Danaos et dona ferentes" - zu Deutsch: "Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen", so warnte in Vergils Aenaeis (Vers 2,48) ein Skeptiker zu Recht: im in die Stadt geschleppten, riesigen Holzpferd verbargen sich feindliche Soldaten die so der bislang erfolglos belagerten Stadt Troja zum Verhängnis wurden. 

Solche Danaergeschenke werden seit einigen Jahren ständig ungefragt an die Muslime verteilt und fallen ihnen danach auf die Füße: die angebliche Umbenennung von Weihnachtsmärkten und St.Martinsumzügen, das Wegretuschieren von Kreuzen auf Lebensmittelverpackungen, das Verhüllen von nackten Marmorstatuen in Rom. Und ein solches "Geschenk" hat sich jetzt - wiederum ungefragt - unser Herr Innenminister einfallen lassen. Und alle springen wieder über das Stöckchen. De Maizière ist längst zurückgerudert.

Bildnachweis: Skulpturen-Atelier Doscha

 

Das Stöckchen der Christlich-Demokratischen Danaer

Unser hochgeschätzter Herr (Noch-)Innenminister, übrigens Nachfahre protestantischer Glaubensflüchtlinge aus Frankreich (Hugenotten), Thomas de Maizière, ist bislang nicht durch übertriebene Wohlgesinntheit den Muslimen gegenüber aufgefallen: so ließ er sich erst unmittelbar vor der Wahl durch die Forderung nach einer weiteren Erschwernis/Verunmöglichung des Familiennachzugs für anerkannte Flüchtlinge vernehmen und kritisierte auch die beiden christlichen Kirchen, die es sich für ihn in der Frage des Asyls "zu leicht" machten. Mit seiner im September - kurz vor der Wahl - geäußerten Forderung, die Zahlungen für Flüchtlinge zu kürzen, wanzte er sich noch mal schnell an die AfD an (fairerweise muß gesagt werden, daß SPD-Hoffnungsträger Schulz in das gleiche Horn getrötet hat), und auch der essenzielle Muslim war für de Maizière bislang nur als Terrorist, Objekt von Abschiebung und Bahnhofsgrabscher ein Thema.

Und jetzt auf einmal bringt eben jener Innenminister das Thema auf. Mit sicher nicht unerwünschten Effekten:

Der Lautsprecher der "Schwesterpartei", Alexander Dobrindt, aber auch der notorische Herr Bosbach ließen sich bereits in der Presse dazu vernehmen:

"Unser christliches Erbe ist nicht verhandelbar", so Dobrindt. Das "christliche Erbe", das die CSU mit der unsäglichen Obergrenzen-Debatte zwar auch nach Ansicht der beiden großen Kirchen beschädigt hat, aber gegen die Muslime wird das Erbe natürlich auch da verteidigt, wo es nichts zu verteidigen gibt. Schnappatmung der Besorgt*innen garantiert.

 

Und so generiert man dann die gewünschten Umfrageergebnisse.

Bildnachweis: stern-Leserumfrage.

Bildnachweis. Schweriner Volkszeitung

 

Und was sollte das jetzt?

Zunächst folgt das Ganze einem schon seit Jahren sattsam bekannten Strickmuster: Es wird, selbstverständlich ungefragt, irgendetwas "für die Muslime" gefordert, von dem "die Muslime" als Letzte erfahren und das sie selber auch niemals gefordert hätten, irgendwann ebbt die Diskussion ab - und zurück bleibt der Eindruck, daß "die Muslime mal wieder eine Extrawurst fordern". Ich habe das mal an der Schwachsinnsdiskussion über die St. Martins-Umzüge untersucht, von einem Mitglied der LINKEN 2013 geräuschvoll angeschoben, und seitdem jedes Jahr wieder aus dem islamkritischen Fundus geholt. Wetten, daß das auch dieses Jahr wiederkommt?

Und auch hier sprangen die islamkritischen Reflexe, wie schon bei "St. Martin" dokumentiert, zuverlässig an (einige Zufallstreffer aus der WELT:

Gute Idee, Markus. Aber lassen Sie uns bei den Feiertagen bleiben. Sie wollten für die Muslime hier die gleichen Rechte, wie "in islamisch geprägten Ländern"? Wäre Pakistan recht? Mit vier nationalen und zwei regionalen Feiertagen? Syrien bringt immerhin noch zwei nationale, christliche Feiertags zusammen, Ägypten ebenfalls.

Jens, Sie verwechseln da eine ganze Menge: es mussten zugegeben, vor Jahrhunderten Juden und Christen in islamischen Ländern eine Kopfsteuer bezahlen, weil sie vom Wehrdienst befreit waren. Das ist aber schon mehr als tausend Jahre her. Häufiger war übrigens, daß Christen - wie Juden auch - in islamischen Staaten wie den Emiraten von al-Andalus, aber auch im Osmanischen Reich zu hohen Ämtern und auch politischer Macht kamen. "Bezahlen, um zu überleben" mussten die Juden in Christlichen Staaten. und häufiger überlebten sie nicht, auch wenn sie bezahlt hatten. 

Mädels, Ungarn! Die Seniorenheime haben einen ausgezeichneten Ruf"

 

Müssen wir Muslime über das Stöckchen springen?

Wie ist denn jetzt die Forderung genau? Das Recht, an einem Feiertag der eigenen Religionsgemeinschaft frei zu nehmen, wurde bereits mehrfach gerichtlich bestätigt, hier ein Beispiel: dieses Beispiel zeigt, daß zwar im Grundsatz ein Arbeitgeber eine Freistellung ablehnen kann, daß dieser Ablehnung jedoch sehr enge Grenzen gesetzt sind. Und hier ist das Beispiel für eine geschaffene Gesetzesgrundlage: Baden-Württemberg.

Das ist sicherlich eine komplizierte Materie. Wer in die Tiefe gehen will, dem empfehle ich diese juristische Doktorarbeit, die das Thema 2003 schon umfassend ausgeleuchtet hat.

Übrigens vermisse ich bei der Debatte, daß wir Muslime uns in diesem Zusammenhang für die religiösen Rechte anderer Religionsgemeinschaften z.B. der Juden in Deutschland einsetzen, wie die Juden das für uns tun - aber das nur am Rande. Von den anderen Religionsgemeinschaften will ich garnicht erst reden.

Gegen die Aussage von Grigorij Lagodinski, daß das bundesweite Feiern von Festtagen anderer Religionsgemeinschaften "Deutschland guttun" würde, und  ein "Zeichen" wäre, kann man erstmal so nichts einwenden - ist aber utopisch. Wie die oben verlinkte Dissertation zeigt, kostete Anfang der Nullerjahre ein arbeitsfreier Tag die deutsche Wirtschaft 9 Milliarden DM. Das dürfte heute so in etwa der gleiche Betrag in Euro sein. Und was wäre mit den anderen Religionsgemeinschaften? Immerhin sind die Zeugen Jehovas Körperschaften des öffentlichen Rechts, und somit den Kirchen gleichgestellt. Das haben die Muslime bislang nicht hinbekommen - und damit fängt es für mich an. Und im Übrigen: es wurden Feiertage im Zusammenhang mit  dem Ramadan diskutiert - ehrlich, Leute: bislang haben es die Muslime nicht nur in Deutschland es noch nicht geschafft, sich auf einen einheitlichen Beginn und ein einheitliches Ende des Ramadan zu einigen. Jedes Jahr das gleiche Gezänk...Soll der deutsche Gesetzgeber den Ramadan regeln? Für mich ist das alles eine Luftdiskussion, sorry.

Was spricht dagegen, an den eigenen religiösen Feiertagen Urlaub zu nehmen, denn dafür scheint es ja bereits vielerorts eine gesetzliche und/oder juristische Grundlage zu geben. Grigorij Lagodinski hat ja auch schon darauf hingewiesen, daß "die Christen" es in bestimmten Berufen dankbar annehmen, wenn Juden und/oder Muslime an christlichen Feiertagen die christlichen KollegInnen vom Dienst entlasten. Hab ich immer so gemacht, und, siehe da, ohne daß ich dazu niemals auch nur irgendeinen Ton gesagt habe, gingen meine Vorgesetzten wie selbstverständlich davon aus daß es sich um meinen Beitrag zur integrationsdebatte handeln müsse.

Aus meiner Sicht ist die Debatte um den Feiertag überflüssig und dazu noch zur völlig falschen Zeit. De Maizière hat aus wahltaktischen (Niedersachsen) und oder koalitionstaktischen (Richtung Grüne), ein Stöckchen hingehalten und alles springt drüber: Islamkritiker, Besorgt*innen, Unionschrist*innen, Martin Schulz und auch die Muslime. Nach Einschätzung von n-tv dürfte das in Niedersachsen die Union, die ja zuletzt ihren 14%-Vorstoß vollkommen abgeschmolzen hatte, und jetzt 1,5% hinter der SPD liegt, auch die letzte Chance auf den Wahlsieg gekostet haben. Und, da de Maizière  schon lange als "Merkels Mann" gilt, dürfte der Rohrkrepierer, den er jetzt produziert hat, innerparteilich für eine weitere Schwächung der Kanzlerin sorgen und den Schließer*innen der rechten Flanke, den Klöckners, Spahns, Scheuers Auftrieb geben. Und das zahlt dann letztendlich bei der AfD ein.