Mein Weg nach Mekka - Teil 1

In einen vorhergehenden Blogeintrag habe ich berichtet, wie mich die Beziehung zu einem Mann aus Eritrea 10 Jahre nachhaltig von allem auf Abstand hielt, was mit dem Islam zu tun hatte. Wie ich dennoch zum Islam fand, ist eine längere Geschichte - manchmal bizarr, aber eigentlich folgerichtig. Nachdem ich schon mehrfach gefragt wurde, wieso und wie ich denn Muslima geworden bin, will ich das mal berichten - es dauert etwas länger, aber hoffentlich ist es unterhaltsam und hoffentlich hilft es, einiges an Vorurteilen u aufzulösen. Es fing katholisch an....

 

Katholische Wurzeln

Geboren wurde ich in Köln in eine katholische Familie. Mein Vater war der zweite Mann meiner Mutter und niemand in unserer Familie wirklich fromm. Wir wohnten in einem Vorort von Köln, der sich im Dritten Reich einen Ruf als übles Nazinest erworben hatte. Eine kulturelle Leistung jener Zeit war ein Preis für das antisemitischste Gedicht für die "Schull- und Veedelszöch 1937", da ich an anderer Stelle schon zitiert habe. Nach dem Krieg zogen in diesen Stadtteil Flüchtlnge aus dem Osten auf, die "Imis" genannt wurden und damals genauso unbeliebt waren, wie heute die Flüchtlinge. Ihr negativstes Unterscheidungsmerkmal: sie waren evangelisch!

Am Ort gab es eine katholische Kirche, St. Petrus Canisius, und eine "Volksschule". Diese Volksschule trennte säuberlich in ein katholisches und ein evangelisches  Gebäude. Ein katholischer und ein evangelischer Schulhof waren ebenfalls getrennt - durch einen Verbindungstrakt. Das Revier der "anderen" Konfession war für uns strikt "off limits", es sei denn, wir hatten einen Auftrag. Wir hatten, wenn wir in eine andere Klasse gingen, zu grüßen mit: "Gelobt sei Jesus Christus!", die katholische, also "richtige" Grußerwiderung lautete: "In Ewigkeit Amen!". Der "evangelische" Gruß und dessen Erwiderung lautete schlicht: "Guten Tag!". Kam also ein evangelisches Kind in unsere Klasse und grüßte mit "Guten Tag!", antworteten wir mit "In Ewigkeit Amen!". Gingen wir in eine evangelische Klasse und grüßten mit "Gelobt sei Jesus Christus!" .  Die katholische Mehrheit verhinderte bis 1965 erfolgreich den Bau einer evangelischen Kirche.

 

Das Kind einer Sünderin

Das Verhältnis zu unserem Pfarrer war schwierig, spätenstens seit 1954. Ich war damals erst 1 Jahr alt, doch mir wurde später erzählt, daß, als mein Opa wegen Krebs im Sterben lag, meine Oma, die ihn bis zuletzt gepflegt hatte, den Pfarrer rief. Der beanstandete, mein Opa sei nicht ordentlich rasiert. Meine Oma wies auf das über dem Bett hängende Kruzifix und meinte, der Herr Jesus habe auch einen Bart. Wenn der Pfarrer jetzt nicht seines Amtes walte, werde sie sich ins Taxi setzen und sich persönlich bei Kardinal Frings, dem berühmten Kölner Erzbischof, beschweren. Die Sterbesakramente wurden erteilt und meine Oma war fortan beim Pfarrer unten durch. Meine Mutter sowieso, wegen Scheidung und Wiederverheiratung.

Ich kam in die Schule, war eigentlich eine gute Schülerin, doch dann kam im zweiten Schuljahr "Katechismus" hinzu, unterrichtet vom Herrn Pastor. Wir standen ja zur Erstkommunion an. Im ersten Halbjahr haute er mir eine Vier rein, Begründung: ich sei ja garnicht in der Lage, die Lehren der Kirche zu verstehen, schließlich sein ich doppelt mit der Erbsünde geschlagen: erstens, wie wir alle, zweitens wegen meiner sündigen Mutter. Die sündige Mutter stellte ihn wütend in seinem Büro zur Rede. Sie solle bitte still sein, sonst bekäme ich in Katechismus eine Fünf und das wars dann mit demj Gymnasium. Da hielt sie es für besser, klein beizugeben, ich behielt meine Vier.

 

Es droht die Sonderschule

Da ich damals schon einen halben Kopf größer als meine Klassenkameradinnen war, und, nun ja, deutlich übergewichig. Meine Mitschüler nahmen das zum Anlass, mich zu mobben, "Fettes Schwein, dicke Sau...". Ich ging als Reaktion keiner Prügelei aus dem Wege, und ich habe viele gewonnen. War ich auf dem Schulhof nicht schnell genug, liefen sie mir nach der Pause in die Falle, da sie ja wieder ins Klassenzimmer mussten und ich hinter der Türe wartete. Wenn ich mit meinen Mobstern fertig war, hatten die erhebliche Blessuren, was mehrfach schon zu Beschwerden der Eltern der Betroffenen führte. Letztendlich habe ich auf dem Schulhof ein Mädchen mit einem Tritt unters Kinn ausser Gefecht setzte: die fiel um und knallte mit dem Kopf auf den Schulhofboden. Gehirnerschütterung. Meine Eltern wurden in die Schule bestellt, Oma ging mit, auf der anderen Seite des Tischs saßen Schulleiterin und Klassenlehrerin. Meinen Eltern wurde eröffnet, man plane, mich auf die Sonderschule, damals noch "Hilfsschule" genannt, zu schicken, ich sei schwer verhaltensgestört, aussergewöhnlich brutal, aussergewöhnlich hinterhältig (Türe!) und störe permanent den Unterricht. Meine Eltern haben sich damals zur Wehr gesetzt, Endergebnis: ich blieb in der Klasse, die Lehrerin wurde abgelöst, zu Gunsten einer 70-jährigen Lehrerin, die man aus der Pensionierung zurückholte.

 

Die schwierige Erstkommunion

Und dann kam die Erstkommunion. Dazu sollten Kommunionpaare bestimmt werden, die gemeinsam von sog. "Führengeln", Kommunionkinder aus dem Jahr davor, zum Altar geführt werden sollten. Damit das aussah, sollten die Kinder möglichst gleich groß sein. Wie man im Header oben sieht, war meine Partnerin mitnichten gleich groß. Aber das war nicht das Hauptproblem: Ingrid Heller* war angeblich die Tochter einer Prostituierten, die im einem Bordell in der "Kleinen Brinkgasse", das damals noch existierte, anschaffte und eines verurteilten Bankräubers. Als ich mit der Nachricht nach Hause kam, bekamen meine Eltern erst einmal Schnappatmung, beruhigten sich aber ziemlich schnell, meine Mutter meinte, "diesen A*** werde ich es zeigen" und rief Frau Heller an. Die Mütter kamen ins Gespräch, Frau Heller erzählte meiner Mutter, sie wisse nicht, wie sie die Kosten für die Ausrüstung - weißes Erstentagskleid, Blumenkrönchen, Handschuhe, Schuhe stemmen solle, worauf meine Mutter ihr demonstrativ Hilfe anbot. ob Frau Heller das angenommen hat, weiß ich nicht. Am Weißen Sonntag wurde Ingrid und mir noch mal gezeigt, was man in der Kirche von uns hielt: zu allen Kommunionkindern ging der Pastor persönlich, zu uns kam der Kaplan - meine Mutter warf ihn schlicht raus, ihr Kind sei kein Kind minderer Güte. Nachdem sie mitbekommen hatte, daß auch zu Ingrid nur der Kaplan kam,  rief sie Frau Heller an: es sei ja allgemein bekannt, wie sie ihr Geld verdiene, aber eine solche Diskriminierung habe auch ihre Tochter nicht verdient. Sie schlage vor, daß Mutter und Tochter, die offensichtlich einsam und alleine bei sich zu Hause rumsaßen, den Kaplan ebenfalls rauswerfen sollten. Zu unserer Feier seien sie jedenfalls herzlich eingeladen. Frau Heller hat allerdings weder den Kaplan rausgeworfen, noch ist sie der Einladung gefolgt. In unsere Siedlung blieb nämlich nichts verborgen - und eine Zusammenrottung zweier Sünderinnen und ihrer Kinder ging garnicht.

Die Quittung kam im Jahr darauf. Alle Kinder des Vorjahres wurden als "Führengel" für die neuen Kommunionkinder eingeteilt: mit Ausnahme von Ingrid und mir. Wir sollten uns als Ersatz bereithalten, was unsere Eltern ablehnten. Nach diesen Erfahrungen war mein Verhältnis zur katholischen Kirche nachhaltig gestört.

 

* Ingrid hieß nicht Ingrid und auch nicht Heller. Den Namen habe ich geändert und das Gesicht unkenntlich gemacht, denn ich weiß nicht, ob sie nach fast 60 Jahren Lust hat, nochmal was über ihre schwierige Jugend zu lesen...

Bildnachweis: Kirche St. Petrus Canisius, Köln-Buchforst, Bilderbuch Köln

Fortsetzung folgt.