Corona im Kopf - Hack 01, Freiheit, Grundrechte und ein paar Zahlen

Ein Hack, hier definiert für die Computerwelt, bedeutet im übertragenen Sinne: ein kurzer Gedankeneinwurf. Das werde ich hier zum Thema "Freiheit" und in Folge auch für andere Themen versuchen und dabei Information und Meinung sauber auseinanderhalten. Mein Ziel ist, anderen die Angst zu nehmen. Angst habe ich auch, aber es hilft ja nichts. Wir müssen da durch und wir schaffen das auch. Deswegen will ich in Zukunft mal hier einige "kurze Gedankeneinwürfe" posten, aufklären und - hoffentlich! - Hoffnung machen.

 

Was macht das mit mir?

Erstmal zum Lockdown: wie einige Leser*innen sicherlich wissen hatte ich 2018/19 einige kardiologische und orthopädische Komplikationen zu bewältigen, während derer ich mich über längere Strecken faktisch bereits im Lockdown zu Hause befunden habe, da es, besonders im Winter, für mich zu gefährlich gewesen wäre, draussen rumzulaufen. Wegen sämtlicher böser Überraschungen, die ich kassieren musste, hat mir das einiges an psychischen Problemen gemacht, die mich psychologische Hilfe suchen liess: Selfapy, das zwar nicht für eine "große" Psychotherapie geeignet ist, aber bei einem eingrenzbaren Problem äusserst hilfreich ist, hat mir zumindest teilweise aus dem Tief rausgeholfen. Ich sollte wieder mehr raus und unter Leute. Ich hatte angefangen, das umzusetzen: Neues Auto angeschafft, Studienreise nach Bosnien gebucht einschließlich Zugfahrt, Flug und Flughafenhotel, schweineteure Karte für eine Show gekauft, die ich schon lange sehen wollte, Wassergymnastik in unserem Spaßbad, Besuch des KZ Dachau. Hat sich alles zerschlagen - wie für manch Andere*n auch. Und natürlich zieht mich das des Öfteren runter. Aber ich verbringe meine Zeit jetzt nicht damit, in den Sozialen Medien mein Leid zu klagen, sondern versuche, das Beste draus zu machen: Arabisch lernen, Training u.a. mit Apps, Spazierengehen, an Webinaren im Internet teilnehmen.und ich habe mich heute beim hiesigen Gesundheitsamt gemeldet. Viel kann ich momentan nicht machen, aber Hotline bedienen ginge...

 

 

Lockdown und Grundrechte

Es mehren sich so langsam die Stimmen, die "unsere Grundrechte" durch den Lockdown gefährdet sehen. Unter ihnen so renommierte Jurist*innen wie Juli Zeh und Heribert Prantl. "Tausche Freiheit gegen Gesundheit" - ach ja? Und zwecks Verhinderung dieser - falschen - Alternative markiert man eine Gruppe der man dann beides wegnimmt?
und - ganz großes Kino: es finde eine "Kastration des Grundgesetzes statt. Der Rechtsstaat sein vom Virus befallen. Whooow!
Und auch Juli Zeh barmt sich in der Süddeutschen und wird dafür vom Redaktionsnetzwerk Deutschland aufs feinste filettiert.

Dazu schreibt die Politologin und Verwaltungsjuristin Iris Stegmann auf ihrer Facebook-Seite:


"Unser Grundgesetz hat eine klare Hierarchie: Die gleiche Würde eines jeden Menschen steht über allem, sie ist das höchste unveräußerliche Gut. Alle anderen „nachfolgenden“ Rechte, wie es im ‚Grundgesetz heißt , sind Folgen dieser Menschenwürde."

 

Sabine Rennefanz von der Berliner Zeitung (HT: Angelika Aliti) hat es auf den Punkt gebracht:

Es geht nicht darum, exzessive Kontrollen der Polizei zu rechtfertigen, sondern Maß zu bewahren. Was an den Beiträgen der Mahner auffällt, ist das Desinteresse an dem Sterben und Leiden in aller Welt, eine seltsame Kälte. In Italien und Spanien sind sehr viele Menschen gestorben. In Frankreich verteilt die Armee schwer erkrankte Patienten im Land. In New York sind schon Tausende tot, der Höhepunkt der Krise ist dort noch nicht erreicht.

Da muss man noch den Artikel 3 GG hinzufügen - Kastriert wird das Grundgesetz, wenn man für verschiedene Gruppen verschiedenes Recht schafft, das Recht teilt!

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Alte, Kranke, Entbehrliche

Die Denke, die Risikogruppen zu "cocoonen", erinnert mich an einen Roman, den Katja Kipping mal in einem Interview als Lektüre genannt hat, und das ich mir daraufhin gekauft habe. Eine Dystopie der schwedischen Autorin Ninni Holmqvist, die mich so geschüttelt hat, daß ich es nicht ertragen habe, dass der bei mir zu Hause rumlag und ihn schnellstens entsorgt habe. Hier mal kurz, worum es geht:

in einer nicht allzu fernen Zukunft werden die Menschen in "Benötigte" und "Entbehrliche" eingeteilt und so hat sich auch die "Entbehrliche", u.a. weil kinderlose (!) Dorrit Wegner unmittelbar nach ihrem 50sten Geburtstag in ein Zentrum eingewiesen, das zwar als Wellness- und Kulturoase inszeniert wurde, allerdings für sie die Endstation bedeutet: sie haben sich bereit zu halten für Tests und Organentnahmen, von denen die "Benötigten" profitieren, bis zin zur finalen, tödlichen "Endspende". Alle, mit denen Dorrit freundschaftliche Beziehungen eingeht, verschwinden eines Tages, da sie der finalen, der tödlichen "Endspende" zum Opfer fallen. Sie verliebt sich in Johannes und wird von ihm schwanger. Auch er verschwindet durch die "Endspende". Dorritt erwägt einen Fluchtversuch, der jedoch scheitert. Sie darf ihr Kind noch bekommen, muss jedoch dann auch "endspenden". Das Kind bekommt eine Frau mit bislang unerfülltem Kinderwunsch - eine "Benötigte".

Genau dieses Menschenbild unterfüttert für mich die Debatte über den Lockdown für die Alten, Kranken und Behinderten, ein Menschenbild aus "jenen 12 Jahren" die wir doch alle so unisono überwunden glaubten. Aus meiner Sicht ist genau das das Menschenbild, das auch zur Implementierung der "Euthanasie" in BeNeLux geführt und bei uns die Sterbehilfe ein Stück weit liberalisiert hat. Darauf hier weiter einzugehen würde allerdings den Rahmen des Themas sprengen.

 

Medizinisches

Quelle

"Tabelle 1 zeigt die häufigsten vorbestehenden chronischen Erkrankungen (diagnostiziert vor der Infektion) bei verstorbenen Patienten. Diese Zahl wurde bei 355/2003 Todesfällen (17,7% der Stichprobe) ermittelt.Die durchschnittliche Anzahl der in dieser Population beobachteten Vorerkrankungen beträgt 2,7 (Median 2, Abweichung.Standardabweichung 1,6. Insgesamt hatten 3 Patienten (0,8% der Stichprobe) keine Vorerkrankung, 89 (25,1%) hatte 1 Vorerkrankung, 91 hatten 2 (25,6%) und 172 (48,5%) hatten 3 oder mehr vorbestehende Erkrankungen."

Übersetzt: die am häufigsten beobachteten Vorerkrankungen bei Patienten, die an Covid-2019 verstorben sind.Dargestellt als Prozentzahl/Anzahl.
Koronare Herzkrankheit: 33%/117, Vorhofflimmern: 24,5%/87, Schlaganfall: 9,6%/34, Bluthochdruck: 76,1%/270, Diabetes: 35,5%/126, Demenz: 6,8%/24, COPD: 13,2%/47, "Aktiver" (soll wohl heissen: pathologisches Wachstum und Metastasierung) Krebs in den letzten fünf Jahren: 20,3%/72, Chronische Lebererkrankung (z.B. Fettleber oder Zirrhose) 3,1%/11, chronische Niereninsuffizienz: 18,0%/64.

Anzahl der Vorerkrankungen: Keine Vorerkrankung: 0,8%/3, eine Vorerkrankung: 25,1%/89, zwei Vorerkrankungen: 25,6%/91%, drei oder mehr Vorerkrankungen: 48,5%/172.

Über Leute wie Wodarg, Dahlke, Schrang, und wie die ganzen Verharmloser alle heissen, will ich mich hier auch nicht auslassen. Sie sind andernorts bereits genügend gewürdigt. Auch das heute von faz und BILD veröffentlichte Interview (leider beides hinter einer paywall) dient so Manchem wieder dazu, die Folgen, hier besonders die Todesfolgen von Corona kleinzureden. In den "freiheitlichen" Kreisen ist die folgende Aussage Labsal:

 „Gerade bei älteren Menschen kommen häufig andere Vorerkrankungen dazu. Dann ist die Corona-Infektion quasi das i-Tüpfelchen. Nach Definition des Robert-Koch-Instituts fällt die Leiche trotzdem mit in der Statistik der an Corona verstorbenen Menschen.“

Was soll uns das sagen? "Sie wären vermutlich sowieso gestorben". Mithin: sowieso nur noch geringe Restlaufzeit. Falsch! Die Todeszahlen der einzelnen Vorerkrankungen müssten in einem genügend langen Zeitabschnitt, unter Betrachtung des Konfidenzintervalls, auch Vertrauensbereich genannt, verglichen werden. Ganz einfach: ergibt sich ein deutlicher Unterschied, dann sind die Patienten an Covid-19 gestorben, wenn nicht, sind sie mit Covid-19 gestorben. Also hilft uns das nicht weiter.

Wieviele Personen wohl in Deutschland das cocooning drohen würde, kann man aus der Prävalenz der einzelnen Hauptrisiko-Erkrankungen in Deutschland ermessen. Ein Beispiel -  Hochdruck: 44% der Frauen, 51% der Männer zwischen 20 und 80 Jahren, bei den 40-49-jährigen kratzt sie für beide Geschlechter schon an der 40%-Marke. (Quelle: S.10), Prävalenz COPD: Männer 5,7%, Frauen 5,8%, (Quelle), Koronare Herzkrankheit: Männer 6,0%, Frauen 3,7%, Quelle. Und als Letztes hier die Prävalenz des Metabolischen Syndroms (S.2), einer Kombination aus: Diabetes, Fettstoffwechselstörung, bauchbetonte Adipositas, Hochdruck: je nach Datenquelle zwischen 19,8 und 23,8%, mithin jedeR Fünfte. Man könnte das jetzt sicherlich über alle Erkrankungen auf der italienischen Liste kompliziert ausrechnen - ich denke mal, eine Schätzung von 30% von cocooning Bedrohten ist nicht übertrieben.

Will man also ca. 30% einer Gesellschaft mit cocooning beglücken? Eventuell schon deutlich vor dem Renteneintrittsalter, wie beim Hochdruck? ich denke bislang, daß das mehr eine Welle in den Sozialen Medien ist. Wir sollten alle dafür sorgen, daß das so bleibt. Denn für so ein Konstrukt bezahlen alle - auch die Freigänger.